Interview VHTV – Matthias Grabe, CTO der HPA

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Die VHTV hat ein Interview mit dem Technischen Geschäftsführer (CTO) der Hamburg Port Authority geführt. Die Inhalte finden Sie auf dieser Seite. Folgende Informationen über Herrn Grabe möchten wir vorab hierzu angeben:

Chief Technical Of­fi­cer“, Member of Executive Board

Matthias Grabe, CTO
Matthias Grabe, (C) HPA

Studium des Bauingenieurwesens an der TU Braunschweig mit Spezialisierung an der ETH Zürich; Vertiefungsfächer Konstruktiver Ingenieurbau, Wasserbau, Umwelttechnik, sowie in der Schweiz Geotechnik und Tunnelbau. Seit 30 Jahren in klassischen Ingenieur-Projekten in der Bauindustrie zu Hause. Nach zehn Jahren der „klassischen“ Ingenieur-Praxis übernahm er zunehmend Budget- und Personalverantwortung in Unternehmen und in der Projektleitung von Großprojekten – sowohl auf Seiten der Auftragnehmer als auch für Bauherren, Projektentwickler und Investoren.
Wirkt seit Ende 2017 bei der HPA als Chief Technical Officer vornehmlich mit Fokus auf komplexe Infrastrukturprojekte. Sein Führungsstil ist gekennzeichnet durch Kommunikation und Wertschätzung – für Matthias Grabe die Basis jeder Zusammenarbeit.

Motto: Führungskräfte in unserem Geschäft brauchen „Beton und Hafenschlick“ am Lackschuh.  

Das Interview führten Ariane Sievers und Christian Book. Die textliche Bearbeitung erfolgte durch Christian Book.

Herr Matthias Grabe als …


… Ausbilder

“Man wird von wenigen Personen geprägt. Lernen kann man von vielen.”


Herr Grabe legt Wert auf eine ausgewogene Ausbildung und sieht viele Aspekte in der Aus- und auch beruflichen Weiterbildung als wichtige Bausteine für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn. Im Studium gilt es, die fachlichen Grundlagen zu schaffen und sich dabei möglichst in parallelen Strängen aber weitere Skills anzueignen. Zum Beispiel können soziale Einstellungen und Handlungsweisen schon im Studium prägend sein und Weichen für das spätere Auftreten in der Arbeitswelt stellen.
Dabei stehen (bei der HPA) grundsätzlich zwei Karrierearten zur Verfügung: die Fachkarriere und die Führungskarriere. Die Aufgaben sind durchaus unterschiedlich: In der Fachkarriere bleibt man vermeintlich einem Thema treu und wird Fachexperte mit vertieftem Wissen zu einem Themenkomplex, während man in der Führungskarriere breiter aufgestellte Aufgaben in unterschiedlichen Bereichen absolvieren sollte.
Eins der großen Themen ist beiden Karriereformen jedoch gemein: wirtschaftliche Aspekte müssen berücksichtigt werden und drängen weiter in den Vordergrund. Das bedeutet: Auch Kolleginnen und Kollegen der Fachkarriere bekommen eine “Grundbesohlung” in allgemeinen Themen wie z.B. Finanzierung und Wirtschaftlichkeit etc. Von Vorteil ist daher, dass sich in weiten Teilen der Ausbildung zu Ingenieurinnen und Ingenieuren der Bereich Wirtschaftsingenieurwesen etabliert hat. Damit erhalten Wirtschaftlichkeit und Effizienz automatisch Einzug in die Ausbildung. „In der ursprünglichen rein technisch fokussierten Ingenieurausbildung war das noch sehr rudimentär im Lehrplan vorhanden“ so Grabe. „Das musste ich im Laufe meines Berufslebens auch erst lernen, mir aneignen.”
Eine weitere Ausbildungsform ist das Duale Studium. Duale Ausbildung in Hochschule und Betrieb und Ausbildung im klassischen Ansatz an einer Uni oder Hochschule: Beide Bereiche haben laut Herrn Grabe ihre Berechtigung und finden ihren Platz in der Fachwelt.

… Teamleader

“In solch einem Unternehmen wie der HPA gibt es viele Menschen mit den Fähigkeiten, die an Führungskräfte gestellt werden.”


Herr Grabe hat seine ersten Gehversuche im Bereich Führung bereits als lizenzierter Fußballtrainer gemacht. Diese Parallellaufbahn hat wichtige Erkenntnisse mitgebracht: die Teamkomponente und das Erkennen von Fähigkeiten und Stärken Einzelner und der daraus resultierenden und möglichen Rolle. Das ist auch heute eine wichtige Eigenschaft einer Führungskraft. Wie im Sport ist es auch in der Arbeitswelt wichtig, die Stärken der Mannschaft zu heben und aus vorhandenem Personal ein Team zu bilden. Ggfls. lassen auch Transfergeschäfte die gezielte Verstärkung an einzelnen Stellen zu.
Aber entscheidend sind immer der Team-Mix und die Einstellung der Mannschaft:
„Mit elf Ronaldos hast Du noch lange nicht gewonnen.“
Besonders die Motivation der Beschäftigten und Teammitglieder ist eine Kernkomponente für erfolgreiche Organisationen. Aspekte, die ein Arbeitgeber seinem Personal anbieten kann, sind zum Beispiel eine gute Arbeitsatmosphäre und daraus resultierende gehobene Motivation. Die Bereitstellung eines modernen Arbeitsumfeldes ist hierbei besonders wichtig – ein solches hat Herr Grabe gezielt beim neu errichteten Hauptsitz “Port House” der Port Authority in Antwerpen besichtigt. Das Gebäude wurde von Zaha Hadid Architects entworfen und bietet insgesamt ein modernes Arbeitsumfeld. Folge ist eine ganz andere Mentalität in der Zusammenarbeit.

… Bewahrer der technischen Kompetenz

“Die Zusammenführung von Planung und Betrieb ist ein wichtiges Anliegen, denn man plant fünf Jahre, der Betrieb muss aber 50 Jahre mit der Anlage umgehen.”


Daher muss der Betrieb der Anlagen schon von Anfang an mitgedacht werden. Das wird in den aktuellen Projekten der HPA entsprechend angewandt. Ein wichtiger Ansatz hierzu ist die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus der Anlagen. Das sog. Life Cycle Costing (LCC = Lebenszykluskostenrechnung) der Bauwerke gibt auch die Planungsrandbedingungen vor. (Wartungs-)Wege für die spätere Begehung, Begutachtung und Reparatur werden daher explizit eingeplant. So können auftretende Schäden schnell erkannt und auch störungsfrei behoben werden. Als Vision für die künftige Schadenserhebung arbeitet die HPA an zukunftsweisenden Technologien. “Unsere Brücken werden in Zukunft Mess-Sensoren haben, die mir helfen, einzuschätzen, wo ich im Lebenszyklus stehe und welche Maßnahmen erforderlich sind. Hierzu gibt es Forschungsprojekte und erste Erfahrungen auch in bundesweit anerkannten Gremien. Dieser Austausch und Erfahrungen, die daraus erwachsen, werden genutzt – aber auch darüber hinaus wird nachgedacht.
“Mein Ideal wäre: ich komme hier morgens rein und auf dem Bildschirm hat sich Brücke x gemeldet und sagt: ‘bei mir muss dies gemacht werden’ und die anderen sagen: ‘mir geht’s gut!’. Das wäre schon genial!“
Bei der Vision und sachgerechter Bearbeitung von Projekten kann man sich nicht immer auf vorhandenes Wissen berufen. Gerade in der heutigen und schnelllebigen Welt sind Kreativität und auch Mut zu Veränderung wichtiger denn je. Dazu tragen besonders im wissenschaftlichen Studium vermittelte Werte bei wie “Denken lernen” oder “lernen, Lösungen zu entwickeln”. DIN Normen sind hilfreich als Richtschnur. Sie helfen aber nur bei der Anwendung von vorhandenem Wissen. Zeiten, die Herr Grabe in der Schweiz verbracht hat (ETH Zürich), haben gelehrt, wo keine DIN Normen vorhanden sind, ist der Ingenieur-Sachverstand deutlich mehr gefragt. Der Schluss hieraus, den Herr Grabe zieht, lautet: “Der Schweizer lernt Angeln. Ihm schenkt man keinen Fisch, sondern man lehrt ihn, eine Angel zu bauen.”
Um zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen, ist ein Kontakt zu Frau Prof. Dr. Daniela Jacob vom Climate Service Center Germany (GERICS) zustande gekommen. Dabei geht es um die Frage: „Wie können wir die Straßen von morgen auf die veränderten klimatischen Bedingungen vorbereiten?“ So ist die HPA mit Frau Prof. Dr. Jacob der Herausforderung nachgegangen, wie vermeintlich vermehrt auftretende Frost-Tau-Wechsel und damit einhergehende Salzeinträge auf die Bauwerke verkraftbar werden.

… Ideengeber / Visionär

„Wenn du mit jemandem ein Boot bauen willst, dann lehre ihn die Sehnsucht nach dem Wasser.“


Die Motivation ist einer der wichtigsten Erfolgsgaranten einer funktionierenden Organisation. Hierbei ist auch eine Vision hilfreich, wie es mit dem Unternehmen / der Behörde weitergeht, wo die Ziele liegen und welche Herausforderungen die Zukunft bringen könnten. Das schärft den Blick auch der Beschäftigten für die eigene Situation und die Herangehensweise über den Tellerrand hinweg.
Ein Masterplan kann helfen, langfristige Visionen zu entwickeln und sich daran auszurichten. „Man muss ein bisschen masterplan-mäßig denken, wenn es um Fortbestand und Entwicklung geht“. Am Beispiel Masterplan HafenCity zeigt sich für Herrn Grabe, wie ein langfristiger Plan (Anmerkung: Senatsbeschluss 1997) sich stetig entfalten und kontinuierlich weiterentwickeln kann. Und das auf einem begrenzten Areal, mit viel Wasserfläche und dennoch als wachsende Stadt.
Langfristig gedachte Planungen ergeben sich manchmal auch am Rande von hoch besetzten Terminen. Aus einem Gespräch mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz vor dessen Weggang nach Berlin:
„Herr Grabe, tun Sie mir einen Gefallen und sorgen Sie dafür, wenn wir beide schon in der Gruft liegen, – das hat er so gesagt – dass dann die Infrastruktur immer noch funktioniert.“ Da sagte ich: „Ja, das verspreche ich Ihnen.“
„Man muss die Menschen für‘s Ingenieurwesen und für das, was wir hier machen, einfach begeistern. Ich glaube, das ist eine ganz entscheidende Sache. Weil es dabei so viele interessante Dinge gibt, ich gehe eigentlich jeden Abend mit neuen Ideen im Kopf ins Bett.“
Das eingangs gegebene Zitat stammt von Saint Exupery.

… bodenständiger CTO

“Manchmal erklären dir die Leute Doppelintegrale, dabei ist es nur ein einfacher Dreisatz.”


Komplexe Sachverhalte werden oft bewusst oder unbewusst kompliziert dargestellt. Eine leicht verständliche Formulierung kann jedoch dabei helfen, entsprechend viele mit einer Thematik befassen zu können. Eine einfach zu verstehende Darstellung erhöht die Verständlichkeit. Dabei geht es auch darum, die Prozesse im jeweiligen Unternehmen nicht ausufern zu lassen. Als Beispiel nennt Herr Grabe eine Fluggesellschaft bei der nur ein einziger Flugzeugtyp zum Einsatz kommt. Das sorgt dafür, dass eine Ausbildung der Piloten und des Bordpersonals gezielt erfolgen kann und alle Flugzeugführer auf allen Maschinen eingesetzt werden können. Standardisierung kann also helfen, gewisse Strukturen einfach und nachvollziehbar zu halten.
Gleichzeitig sind aber bei den meisten Projekten, die die HPA durchführt, viele Protagonisten beteiligt – ob intern oder extern. Dies bedingt eine gute Kommunikation im Projekt. Sofern man sich auch einmal in die Rolle des Gegenübers hineinversetzt, und dessen Motivation und Randbedingungen beleuchtet, können einige Schwierigkeiten schneller gelöst werden. Der Perspektivwechsel steht daher besonders im Fokus.
Zudem ist es wichtig, ganzheitlich zu denken und so auch viele unterschiedliche berufliche Ausrichtungen an einen Tisch zu bringen. Das haben die Führungsebenen der hamburgischen Behördenlandschaft schon gut im Fokus, denn: “Miteinander reden ist wichtig! Geschäftsleitungen in meinem jetzigen direkten Umfeld reden mehr miteinander als in anderen Unternehmen aus meiner Erfahrung.” In diesem Umfeld finden regelmäßige Treffen, Arbeitskreise, Abstimmungen über Maßnahmen der kommenden fünf Jahre statt, was auf allen Ebenen zu einer ganzheitlichen Strategie führt.
Im Vergleich zu anderen potenziellen Arbeitgebern / Standorten muss Hamburg seine Standortvorteile noch besser kommunizieren. Besonders vielfältig sind die Aufgaben im Bereich Infrastruktur: “In so einer tollen Stadt habe ich Wasser, Straße, Schiene, insgesamt Hafeninfrastruktur, alles, was ich in meiner bisherigen Laufbahn gemacht habe an einer Stelle. Und ich kann alle Projekte in einer halbe Stunde erreichen. Das ist genial.”
Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut aufzunehmen und die Arbeitsweisen schnell erlernbar zu machen, hilft dabei, dass man sich schnell einleben kann und ohne aufwändige Verzögerungen ins Projektgeschäft einsteigen kann. Deshalb bekommen neue Beschäftigte immer eine Person zugeordnet, die die schnelle Einbindung in die Strukturen gewährleisten kann.

Wir danken Herrn Grabe für das nette Gespräch. Christian Book für die VHTV e.V.